BERICHT KAFFEEERNTE IM NORDEN NICARAGUAS

Johannes Drews
15.01.07

"Der Bus kommt an. Ich steige ein, habe viele schwitzende Nicas um mich herum, nette Salsa

Takte im Ohr und fahre stehend ca 15km rein ins "Zentralmassiv" der segovianischen Berge.

Dort schnappe ich mir mein Fahrrad, welches die Tour oben auf dem Dach des Busses hinter

sich gebracht hat, drücke dem Busbegleiter noch fünf Cordobas für den Transport in die Hand

und suche nun nach einem Schotterweg hinauf zum Gipfel.

Ich fahre den Berg hinauf, muss schieben, bin unter der Mittagshitze am schwitzen und kämpfe mich so auf 1400m über NN hoch. Es wird kühl, ich streife den "Sweater" über, genieße die herrliche Sicht, die klare Luft und komme an.

Es folgt eine schüchterne Begrüssung durch die Frauen der Kooperative, es wird einiges besprochen, auch dass wir (Zivikollege und ich) mit unserer Ernte am 08.01.07 anfangen sollen und schon befinde ich mich wieder auf dem Weg Richtung Heimat.

Ich brause einen anderen Weg hinunter, vorbei an vereinzelten Häusern, Tieren und vielen Kaffeepflanzen und lande schließlich an der hondureanischen Grenze in "Las Manos".

"Papiere und Reisepass, bitte..." Natürlich nichts dabei und so komme ich trotzdem — nach einer kleinen Diskussion mit den hondureanischen und nicaraguanischen Grenzbeamten vom Fleck.

Mit Gallopinto (Reis mit Bohnen) im Bauch gehts weiter, es folgt die 22km lange Abfahrt über die Panamericana, es regnet an verschiedenen Stellen, es ist dunkel, komme jedoch ohne Problem

nach Ocotal zurück."

Mehr oder weniger so verlief meine erste Reise am Vorweihnachtstag zur Berggemeinde

"Loma Fria" und dort zu den Kaffeefrauen der Kooperative "Las Gaviotas"(Die Möwen).

Der Kaffee dieser Frauengruppe, der biologisch und organisch angebaut wird, wird von

meiner Entsendeorganisation Nueva Nicaragua als fair gehandelter Kaffee unter dem Namen

"Nassau Affair" in Wiesbaden und im Rheingau verkauft.

Es ist nun schon das zweite Jahr, dass die Freiwilligen aus Ocotal in der Haupterntezeit unter-stützend zur Seite stehen, den Frauen und Kindern bei ihrer Arbeit über die Schulter schauen

und vieles über ein ganz anderes Leben in den Bergen lernen können.


Nach diesem ersten Kennen lernen und der Absprache in den Bergen, ging es am besagten

Montag endlich los...

Um vier in der früh wach geworden, Sachen gepackt und um sechs Uhr ging es mit dem schon wartenden Taxi bergauf.

Nach kurzem einrichten unseres Zimmers mit Betten und Mückennetzen ging der Spass

endlich los...


El corte, die FEM und das Leben in den Bergen:
Es war um ehrlich zu sein genau das Wetter, welches für so eine Sache wohl oder übel

am bescheidensten ist: es regnete, stürmte und es war richtig, richtig kalt "da obbe".

Nichts desto trotz musste die Arbeit gemacht werden und nach einigen Metern des auf

und ab wird es einem auch schon wärmer (nicht so in der Nacht...).

Um zu den Kaffeepflanzen zu kommen, mussten wir einen kleinen, schmalen, rutschigen

und teilweise sehr steilen Pfad entlang "kraxeln" bis wir schliesslich vor ihnen standen.

Sie sind unterschiedlich groß, werden bis zu fünf Metern hoch, sind umgeben von

Bananenstauden und tragen diese kleinen Kirschen an sich.

 

Die Hänge, an denen sich die Pflanzen befinden, sind steil und schwer begehbar

(Assmannshäuser Weinlagen können da nur schwer mithalten...). Wir, trotz guter Wanderschuhe, haben uns auch das ein oder andere mal schön auf die Nase gelegt, wobei unsere Begleiterin

und die Kinder barfuß überhaupt keine Probleme hatten.

So beginnt das eigentliche Arbeiten und nach kurzer Ansprache: "Nur die roten, braunen

und weichen gelben Kirschen werden gepflückt und kommen in das um den Bauch gebundene Körbchen..." wird jeder auf einen der vielen Büsche angesetzt, um diesen nach den besagten

Regeln abzuernten.

Es ist steil, man hat keine Orientierung wo man sich befindet, alles um einen herum ist zugewachsen — es werden bei ökologischem Anbau ja nunmal keine Chemikalien und

Pestizide eingesetzt - die Stechmücken, Käfer, Raupen und andere Insekten machen es

sich auf dem Körper gemütlich und ab und zu stößt man noch an ein Wespennest.

Es wird gepflückt, zusammengearbeitet, um die größeren Pflanzen mit Kraft nach unten

zu ziehen, währenddessen ein anderer die Kirschen pflücken kann und so hangelt man

sich langsam den Hang hinunter, rutscht noch ein paar mal aus und versucht dabei seine

bisher gesammelte Beute zu sichern.

Die Nicas reden dabei, singen und lachen miteinander, es gibt aber auch immer nette

Ruhephasen, bei denen man außer den Geräuschen vom eigenen Pflücken nur den Wind

in den Bäumen und Sträuchern hört und so einfach abtauchen und sich mit seinen

Gedanken wieder ganz woanders wiederfinden kann...

 

Ein Ziel, so wie bei der Weinlese das Ende eines Weinberges, gibt es in dem Sinne nicht,

was jedoch auch nicht schlimm ist, da die Zeit rasend vorbei geht und ehe man sich versieht,

schlägt die Uhr Mittag (bzw. unsere Begleiterin wusste durch ihr Hungergefühl, wie viel Uhr

es ist...) und man bricht mit halbvollen Säcken über der Schulter zum Rückweg auf.

Der Weg zu den fünf Häusern zurück ist mühevoll, aber wenn man die Kinder und Frauen

beim Schleppen der meist ganz vollen Säcke sieht, schafft man dieses auch noch.

 

Die Mahlzeiten bestehen aus einer kleinen Portion Reis und Bohnen, einigen Maisfladen und

einer Tasse Kaffee. Manchmal gibt es ein Ei dazu, Kochbanane oder ein Stück Käse.

Dementsprechend sind alle — ob Kinder, Jugendliche oder Frauen doch recht dürr und klein gebaut.

Wir konnten uns wenigstens vor und beim Essen ausruhen - diese Möglichkeit gab es für

die Frauen nicht. Sie müssen kochen, sich um die Kinder kümmern, waschen...

Nach dem Essen wird mit einer kleinen, handbetriebenen Kurbelmaschine die Kaffeebohne

von der Kirsche befreit und fällt mit einer glibberigen Schicht in einen separaten Sack.

Die leere Hülle kommt auf den Kompost.

Für diese laute, schwerzudrehende Maschine sind echte Männer gefragt und so übernehmen

diesen Job meistens die Jugendlichen, um ihre ganze Manneskraft zu zeigen — "da wirscht zum Bär..."

 

Vorher wird jedoch noch der Ernteertrag von jedem einzelnen gemessen und so entsteht hier

ein kleiner, lustig kommentierter Wettkampf. Wir zwei Deutschen befanden uns jedes Mal auf

den hinteren Plätzen und wenn wir gut waren, schafften wir zu zweit das Gleiche, was Doña Irma, unsere Betreuerin, alleine in ihrem Sack hatte...

Nachdem nun die Bohnen von ihrer Hülle befreit sind, müssen sie gewaschen werden.

Die Bohnen werden dazu in eine etwa vier Meter lange Betonwanne geschüttet und mit Wasser

wird nun versucht, die Frucht zu säubern. Hartnäckige Schalen werden entfernt und die leeren, schlechten Kaffeebohnen werden auf dem Wasser schwimmend aussortiert. Um dieses zu vereinfachen, wird mit einer Art Paddel der gesamte Kaffee immer wieder umgeschaufelt,

um den leichten - schlechten - Bohnen an die Wasseroberfläche zu verhelfen.

 

Die guten und schweren kommen danach zum Trocknen auf den Betonboden. Die leichten und

nicht ganz sauberen Bohnen werden von den Frauen zu ihrem eigenen Kaffee weiterverarbeitet.

In einer mühsamen Suche werden nun wiederum dunkle, dreckige und kaputte Kaffeebohnen

von den Frauen aussortiert. Danach wird der Kaffee in Säcke abgefüllt und für den weiteren Prozess werden sie von einer Organisation namens FEM (Fundacion entre Mujeres) unterstützt.


Das bedeutet jedoch nicht, dass damit die Arbeit für den Rest des Jahres aufhört. Es muss

Unkraut beseitigt werden, Kaffeepflanzen werden gekürzt (vergleichbar mit dem "Coddonschnitt" bei der Weinrebe) die Finca wird aufgeräumt und viele Sachen, die während dieser anstrengenden Zeit auf der Strecke bleiben, müssen erledigt werden. Auch finden Fortbildungen und Seminare statt, um das kleine, seit 1996 bestehende Projekt weiter zu verbessern.

Die FEM, eine "Organismo No Gubernamental" (Nichtregierungsorganisation) hilft dieser,

aber auch anderen frauengeleiteten "Fincas" bei der Produktion, mit Geldern, technischer Unterstützung und der Vermarktung des Kaffees. Desweiteren hilft sie bei Gesundheitsfragen, versucht ein Gemeinschaftsgefühl zwischen den Frauen aufzubauen und kümmert sich um

Fälle von häuslicher Gewalt.

In der Haupterntezeit, die unterschiedlich von Ende November bis Anfang März dauert,

müssen sie auch mit ihren vierradangetriebenen Fahrzeugen den Kaffee von den Fincas

abholen, um diesen zu einem sogenannten "Beneficio" zu bringen.

Dieses haben wir mit zwei Mitarbeitern dieser Organisation im Anschluss an unsere

Erntewoche besucht. Es befindet sich in Palacagüina und dort wird der ankommende Kaffee

zum Transport in die ganze weite Welt vorbereitet.

Es befinden sich Unmengen an Kaffee (organischer und auch konventioneller) auf diesem

Gelände, der nochmals getrocknet wird, dann in mehreren Stufen nach Qualität sortiert

und später abgepackt wird. Desweiteren befindet sich ein Labor auf diesem Gelände,

um so immer wieder die Qualität zu überprüfen.

Ein weiteres Ziel von FEM ist es, neue Märkte für den biologischen Kaffee zu eröffnen.

Es sind mittlerweile 15 Fincas, die zertifiziert sind und somit ihren Kaffee "Fair Trade"

verkaufen können.

Es fehlt ihnen aber leider der Zugang zu Absatzmärkten in Europa und so ist es neben

Wiesbaden nur noch eine andere Adresse (in "Gringolandia"), an die dieser

gutschmeckende und wohltuende Kaffee verkauft wird.

Die vielen Informationen über FEM haben wir auf einer Versammlung erhalten.

Diese fand an unserem letzten Tag (Samstag) in der Nähe von "Las Manos" statt und

wir trafen dort weitere Mitglieder, aber auch einige der "Becadas".

Diese "Stipendianten" - acht Jugendliche (je vier von las Gaviotas und vier von

anderen Kooperativen) - sind Kinder von den Kaffeefrauen, denen es mit finanzieller

Unterstützung von Wiesbaden ermöglicht wird, eine Schule zu besuchen.

Die meisten Schulen Nicaraguas kosten Geld, es muss eine Uniform gekauft werden,

der Transport zur Schule hin, das Mittagessen und der Rückweg muss bezahlt werden

und natürlich auch das Schulmaterial. Ohne die Unterstützung würde es diesen wie

vielen anderen in diesem Land ergehen, die nicht die Chance bekommen, eine Schule

zu besuchen.

Die Noten dieser Stipendianten werden stark von der Präsidentin der Frauenkooperative

überwacht und so wird darauf geschaut, dass die Jugendlichen die Gelder nicht

"veruntreuen".

Wir, die zwei "Zivis", hatten zwar kein Geld für die Menschen und insbesondere die

Kinder dabei (und davon gab es doch recht viele), jedoch jede Menge anderer Dinge.

Vor unserer Abfahrt hatten wir noch die Kinderbibliothek "Las Abejitas" (anderes

Projekt von "Nueva Nicaragua", in dem der andere Zivi arbeitet) um Bücher, Spiele und Malmaterialien erleichtert und so konnten wir nach getaner Arbeit mit den Kindern unsere vollgepackte Reisetasche erkunden.

Es wurde Fußball gespielt, jede Menge Karten ausgeteilt und abends etwas vorgelesen.

Den Tipp dafür, dass sich dort oben viele Kinder befinden die großes Interesse an

Spielmaterialien haben, hatte ich übrigens von meinen Vorgängern bekommen...

Vielen Dank!

Die Hygiene dort oben ließ wirklich zu wünschen übrig. Das Waschwasser im Eimer ist

eher braun als durchsichtig, die Kinder sind teilweise richtig schmutzig und bei uns beiden

schlich sich etwas ähnliches ein.

Die Toiletten bestehen aus Löchern im Boden und sie sind nur durch ein sehr labiles

Gerüst aus Holz und Folie vor anderen Blicken und Regen geschützt. Dieses Gestell

war jedoch nach dem ersten stärkeren Windstoß in sich zusammengestürzt, sodass

man freien Blick auf den gegenüberliegenden Berg hatte, man von oben nass wurde

und wie schrieb es so schön Dietmar Schönherr in seinem "Nicaragua, mi Amor —

Tagebuch einer Reise und das Projekt Posolera": "Du sitzt da mit zusammengekniffener

Nase, und ein kalter Wind pfeift dir in den Hintern."

Trotz wahrnehmbarer Armut und wirklich wiedrigen Verhältnissen hat diese Woche unglaublich

gut getan. Die Menschen wurden nach dem ersten schüchternen Tag immer offener und wir kamen sehr gut mit ihnen aus, vor allem mit den Kindern und Jugendlichen.

Das solls soweit gewesen sein.


Einen kurzen Dank noch an Nueva Nicaragua Wiesbaden e.V., der diese wertvolle und tolle Erfahrung möglich gemacht hat und einen schönen Gruss in den Rheingau.


Johannes Drews